10 | Klassenkämpfe werden nicht mit Wahlen gewonnen

Einen Dämpfer erhielt die revolutionäre Dynamik bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung am 25. April 1975 und der Parlamentswahl 1976. Eindeutige Sieger waren die Gegner der Revolution. Gründe hierfür gab es einige: Die Revolution kam über den Industriegürtel Lissabons und das südliche Portugal kaum hinaus. Im konservativen Norden war der Einfluss der antikommunistischen Kirche und örtlicher Reaktionäre weiter vorherrschend. Hinzu kamen Analphabetismus, mangelnde Bildung und der Wunsch nach einem Konsumniveau wie in Westeuropa, der größer war als die Angst vor weiterer Ausbeutung.

Alle Parteien hatten öffentlich gelobt, den revolutionären Prozess fortzuführen. Bei der rechts-sozialdemokratischen PPD und der reaktionären CDS war das Lippenbekenntnis offensichtlich, bei der sozialistischen PS etwas versteckter. Auch in MFA, Regierung und Militär gewannen sozialdemokratische und konservative Kräfte die Oberhand.

Die „Legitimität der Urnen“ war an die Stelle der „revolutionären Legitimität von MFA und Volksmassen“ getreten, so der linke Historiker Fernando Rosas.


Die Zeiten gemeinsamer Demonstrationen der kommunistischen PCP und der sozialistischen PS waren längst vorbei – obwohl ein großer Teil der Bevölkerung lange Zeit einen linken Block favorisierte.


Wählerhintergrund der Parteien

PS – Partido Socialista: Arbeiterschaft Nordportugals, städtische Mittelschichten, Kleinbürgertum
PPD – Partido Popular Democrático: antikommunistisches Bürgertum, Bauern Nordportugals
PCP – Partido Communista Português: Lissaboner Industrieproletariat, Landproletariat Südportugals
CDS – Centro Democrático Social: Großagrarier, Großbourgeoisie, ehemalige Salazar-Anhänger
MDP – Movimento Democrático Português: antifaschistisch, demokratisch, PCP-nah
UDP – União Democrática Popular: Maoistische Studenten und linksradikale Arbeiterschaft


Links:
Álvaro Cunhal, PCP-Generalsekretär, langjähriger politischer Gefangener, Künstler, kommunistischer Realist.
Rechts: Mário Soares, Vorsitzender der PS (1973 mit Hilfe der SPD in der BRD gegründet), kapitalismusfreundlicher Sozialdemokrat.


Linksradikale Gruppen und militärische Linke wollten die Revolution mit Poder Popular (Volksmacht in Betriebs-, Stadtteil- und Hausgruppen) weiter vorantreiben, manche auch bewaffnet. Wochenzeitung der PRP–BR (Partido Revolucionário do Proletariado – Brigadas Revolucionárias).

Fotos
Klaus Steiniger
TUBS, commons.wikimedia.org, Portugal,_administrative_divisions_-_de_-_colored.svg, CC BY-SA 3.0
Fernando Pereira / Anefo, commons.wikimedia.org, Alvaro_Cunhal_(1980).jpg, CC BY-SA 1.0
Claude Truong-Ngoc, commons.wikimedia.org, Mário_Soares_par_Claude_Truong-Ngoc_1978.png, CC BY-SA 3.0
Ephemera – Biblioteca e Arquivo de José Pacheco Pereira
ephemerajpp.com/2019/09/01/partido-revolucionario-do-proletariado-1975-2/